IFG trifft BVergG: Was Auftraggeber:innen ab sofort beachten müssen
1. Zwei Wege zur Information: Veröffentlichung und Antrag
Das IFG beruht auf zwei Mechanismen:
Erstens, der proaktiven Veröffentlichungspflicht. Betroffen sind insbesondere Bund, Länder, Gemeinden, Gerichte, der Rechnungshof und Selbstverwaltungskörper; kleinere Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern sind davon ausgenommen. Zu veröffentlichen sind unter anderem Studien, Gutachten und jedenfalls Verträge ab einem Nettoauftragswert von EUR 100.000. Maßgeblich ist der Gesamtauftragswert ohne USt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Für die Vergleichbarkeit verweist das IFG sinngemäß auf die vergaberechtlichen Auftragswertregeln. Die Veröffentlichung erfolgt über das bundesweite Informationsregister (gehostet auf data.gv.at) durch Verlinkung auf die jeweilige Informationsquelle.
Zweitens, das Antragsrecht auf Informationszugang. Dieses kann formlos und gebührenfrei geltend gemacht werden; die Erledigung hat grundsätzlich binnen vier Wochen zu erfolgen. Beide Zugangswege stehen unter bestimmten Ausnahmetatbeständen – etwa dem Schutz personenbezogener Daten, von Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen oder Rechten am geistigen Eigentum. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob gelindere Mittel wie Anonymisierung oder Schwärzung eine Herausgabe dennoch ermöglichen.
2. Mehr Transparenz auch während Vergabeverfahren
Für Vergabeverfahren bedeutet das IFG: Der bloße Verweis auf ein laufendes Verfahren reicht nicht aus, um Informationszugang zu verweigern. Auftraggeber:innen müssen konkret prüfen, ob ein gesetzlicher Ausnahmegrund vorliegt und gegebenenfalls einen Teilzugang gewähren.
Gleichzeitig bleibt das Vergaberecht nicht außen vor. § 27 Bundesvergabegesetz (BVergG) schützt vertrauliche Informationen (insbesondere technische und Betriebsgeheimnisse sowie vertrauliche Angebotsaspekte). Dieser Schutz wirkt über die Zuschlagserteilung hinaus, ist aber kein pauschales Geheimhaltungsprivileg für sämtliche Verfahrensunterlagen.
Im Ergebnis sind die Vertraulichkeit nach dem BVergG und die Ausnahmebestimmungen des IFG miteinander abzuwägen. Das IFG ist nur dort subsidiär, wo bereits spezielle Informationszugangsregelungen oder öffentliche elektronische Register bestehen. Was ohnehin nach dem BVergG veröffentlicht werden muss (Bekanntmachungen, Kerndaten), fällt daher nicht mehr unter den Geheimnisschutz. Der Vertragsinhalt über EUR 100.000 geht mit dem IFG über die bisherigen Kerndaten hinaus und wird – vorbehaltlich Schwärzungen – öffentlich zugänglich.
3. Zusammenspiel von IFG und BVergG
Damit ergibt sich ein Kooperationsmodell: Das IFG hebt die Transparenzschwelle, das BVergG sorgt für den Schutz legitimer Geheimhaltungsinteressen.
Für die Praxis empfiehlt es sich, bereits im Vergabeverfahren von den Bieter:innen zu verlangen, vertrauliche und nicht-vertrauliche Fassungen sensibler Unterlagen zu kennzeichnen und die Begründung der Vertraulichkeit nachvollziehbar darzulegen. Dies ermöglicht es Auftraggeber:innen, nach Zuschlag rasch und rechtssicher zu beurteilen, welche Informationen im Rahmen des IFG zu veröffentlichen bzw. zu schwärzen sind.
Im Zuge der Zuschlagserteilung sollten Auftraggeber:innen festlegen und dokumentieren, welche Vertragsbestandteile typischerweise sensible oder vertrauliche Informationen enthalten (zB Preisblätter, Kalkulationsgrundlagen, Rabattschemata, IP-Klauseln). Diese interne Dokumentation dient als Grundlage für eine spätere, rechtssichere Schwärzung im Fall einer Veröffentlichung nach dem IFG. Sie ersetzt aber nicht die gesetzlich vorgesehene Einzelfallprüfung im Anlassfall.
4. Handlungsempfehlung für Vergabeverfahren
Um die neuen Pflichten praktisch umzusetzen, sollten öffentliche Auftraggeber:innen ihre Vergabeverfahren in folgenden Punkten anpassen:
- Anwendungsbereich prüfen: Unterliegt der Auftraggeber der proaktiven Veröffentlichungspflicht oder nur der Auskunftspflicht? Welche Verfahren und Vertragsarten sind betroffen?
- Vergabeunterlagen anpassen: Bereits in den Teilnahme- und Ausschreibungsunterlagen sollte geregelt werden, wie mit vertraulichen Informationen umzugehen ist. Empfehlenswert sind verpflichtende Kennzeichnungen durch die Bieter:innen („vertraulich“ / „nicht vertraulich“) und der Hinweis, dass gesetzliche Informationspflichten (gemäß IFG) unberührt bleiben.
- Dokumentationsmanagement stärken: Alle relevanten Verfahrensunterlagen – insbesondere Aufklärungen, Bewertungsvermerke und Zuschlagsentscheidungen – sind entscheidungsreif zu führen, um im Falle eines Informationsbegehrens rasch reagieren zu können.
- IFG-Prozesse etablieren: Interne Abläufe für die Bearbeitung von Informationsbegehren (Prüfung von Ausnahmen, Schwärzungen, Fristen, Verantwortlichkeiten) müssen definiert werden.
- Veröffentlichung nach Zuschlag: Für Auftraggeber:innen, die der proaktiven Veröffentlichungspflicht unterliegen (insbesondere Bund, Länder, größere Gemeinden, öffentliche Unternehmen), gilt, dass Verträge mit einem Auftragswert ab EUR 100.000 – soweit keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen – proaktiv zu veröffentlichen und im Informationsregister zu verlinken sind. Kleinere Gemeinden (< 5.000 Einwohner:innen) sind davon ausgenommen, müssen aber auf entsprechende Informationsbegehren Auskunft erteilen und Unterlagen bereitstellen.
5. Fazit
Mit dem Inkrafttreten des IFG wurde die Informationsgewährung zu einer gesetzlichen Verpflichtung mit unmittelbarer Relevanz für Vergabeverfahren. Öffentliche Auftraggeber:innen müssen künftig zusätzliche Abwägungsentscheidungen treffen, Unterlagen aufbereiten, Auftragsvergaben bekanntmachen und auf Informationsbegehren innerhalb kurzer Fristen reagieren.
Das bedeutet einen erhöhten administrativen Aufwand und erfordert eine klare interne Zuständigkeits- und Verfahrensordnung. Die parallele Anwendung von IFG und BVergG birgt zudem Abgrenzungsschwierigkeiten, insbesondere bei der Bewertung von Geschäftsgeheimnissen und bei laufenden Verfahren.
Das IFG ist damit kein Transparenzinstrument „ohne Nebenwirkungen“, sondern verlangt eine sorgfältige rechtliche Steuerung. Wer die Prozesse und Dokumentation jedoch frühzeitig anpasst, reduziert spätere Risiken, insbesondere Beanstandungen wegen unzureichender oder verspäteter Informationsgewährung.

Laura Gleinser
Dr. Laura Gleinser, LL.M.: gleinser@chg.at
Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht und Vergaberecht
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