Net-Zero Industry Act – Sondervergaberechtliche Bestimmungen zur Erreichung der Klimaziele
Die Europäische Union macht ernst mit ihren Klimazielen und modifiziert dafür auch Bestimmungen im Vergaberecht: Als Teil des Industrieplans zum Grünen Deal wurde im vergangenen Jahr die Verordnung (EU) 2024/1735 vom 13.06.2024 zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null Technologien und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1724, der „Net-Zero Industry Act“ (idF „NZIA“), kundgemacht.
Künftig sollen gemäß Art 25 des NZIA Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen und Konzessionen, die Netto-Null-Technologien umfassen, mehrere sondervergaberechtliche Bestimmungen anzuwenden haben. Das dahinterstehende Ziel ist es, die Produktionskapazitäten für emissionsarme, grüne Technologien innerhalb der Union bis zum Jahr 2030 auf mindestens 40% des jährlichen Bedarfs in Europa zu steigern.
Anwendungsbereich
Grundsätzlich werden alle Vergabeverfahren und Konzessionsvergabeverfahren im Oberschwellenbereich, die seit dem 29.06.2024 eingeleitet wurden und zukünftig eingeleitet werden, vom Anwendungsbereich des NZIA erfasst. Die sondervergaberechtlichen Bestimmungen des Art 25 NZIA gelten allerdings nur für die Vergabe von Aufträgen und Konzessionen, wenn eine der Netto-Null-Technologien gemäß Art 4 Abs 1 lit a bis k NZIA Bestandteil des zu vergebenden Auftrags oder der Konzession ist oder wenn ein Bauauftrag oder eine Baukonzession eine dieser Technologien umfasst. Dazu gehören folgende Technologien:
- Solartechnologien, einschließlich photovoltaischer, thermoelektrischer und thermischer Solartechnologien
- Technologien für Onshore-Windkraft und erneuerbare Offshore-Energie
- Batterie- und Energiespeichertechnologien
- Wärmepumpen und Technologien für geothermische Energie
- Wasserstofftechnologien, einschließlich Elektrolyseure und Brennstoffzellen
- Technologien für nachhaltiges Biogas und Biomethan
- Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2
- Stromnetztechnologien, einschließlich elektrischer Ladetechnologien für den Verkehr und Technologien zur Digitalisierung des Netzes
- Technologien für Kernspaltungsenergie, einschließlich Technologien für den Kernbrennstoffkreislauf
- Technologien für nachhaltige Kohlenstoffe
- Wasserkrafttechnologien.
Bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sind die sondervergaberechtlichen Bestimmungen des Art 25 NZIA jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Beschaffung einer der genannten Technologien den Hauptauftragsgegenstand bildet oder auch, wenn diese nur Teil des Auftrags bzw der Konzession ist. Auch für Bauaufträge oder -konzessionen reicht es für die Anwendbarkeit des Art 25 NZIA bereits aus, wenn diese eine der genannten Technologien beinhalten (zB die Errichtung eines Gebäudes mit einer Photovoltaik-Anlage am Dach). Der Wertanteil der gegenständlichen Technologien am Gesamtwert des Auftrags/der Konzession ist dabei unerheblich.
Ausnahmen gibt es für Auftragsvergaben im Zusammenhang mit und für die Ausübung von bestimmten, in Österreich freigestellten Sektorentätigkeiten (zB die Erzeugung von Strom in Österreich, bestimmte Dienste des Postsektors, Bereitstellung von Flughafeninfrastruktur für den Frachtverkehr und nicht-kommerzielle Busdienste in österreichischen Regionen im Zuständigkeitsbereich einzelner regionaler Verkehrsverbünde).
Was ist zu tun?
Auftraggeber haben bei Vergabeverfahren im Anwendungsbereich des NZIA verbindliche Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit anzuwenden. Noch steht freilich der Durchführungsrechtsakt der Europäischen Kommission, mit welchem diese Mindestanforderungen präzisiert und festgelegt werden sollen, aus. Klar ist, dass diese entweder in Form von technischen Spezifikationen bzw Anforderungen oder in Form von Klauseln für die Auftragsausführung sowie im Sinne der allgemeinen Vergabegrundsätze festzulegen sein werden. Bis 30.06.2026 gelten diese Mindestanforderungen nur für Beschaffungen, die von zentralen Beschaffungsstellen vergeben werden und für Aufträge/Konzessionen, die einen Wert von EUR 25 Mio erreichen, wobei hierfür auf den geschätzten Auftrags- bzw Konzessionswert abzustellen ist. Ab 30.06.2026 werden die im Durchführungsrechtsakt festgelegten Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit für alle Verfahren im Oberschwellenbereich anzuwenden sein.
Zusätzliche Verpflichtungen für Bauaufträge/-konzessionen
Bei der Vergabe von Bauaufträgen/-konzessionen haben Auftraggeber außerdem (fakultativ) eine der drei folgenden Bedingungen, Anforderungen oder vertraglichen Verpflichtungen als Teil der Leistungsbeschreibung oder als Ausführungsbedingung vorzugeben.
- eine mit sozialen oder beschäftigungsbezogenen Erwägungen verbundene besondere Bedingung für die Auftragsausführung (zB die Verpflichtung, zur Auftragsausführung eine größere Zahl von Menschen mit Behinderung einzustellen);
- die Anforderung, die Einhaltung der geltenden Cybersicherheitsanforderungen (zB die Anforderungen der NIS2-Richtlinie) nachzuweisen;
- eine spezifische vertragliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Lieferung der Auftragskomponente im Zusammenhang mit den erfassten Netto Null-Technologien (zB bewehrt durch Vertragsstrafen im Fall der Nichteinhaltung).
Die Verpflichtung zur Wahl einer dieser Vorgaben gilt für alle Vergabe- und Konzessionsvergabeverfahren im Anwendungsbereich der Vergaberichtlinie, der Sektorenvergaberichtlinie und der Konzessionsrichtlinie (RL 2014/24/EU, RL 2014/25/EU und RL 2014/23/EU), die seit dem 29.06.2024 eingeleitet wurden. Damit erfasst der Anwendungsbereich vereinfacht alle Vergabeverfahren gemäß Bundesvergabegesetz 2018 und Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 im Oberschwellenbereich.
Von dieser Verpflichtung ausgenommen sind öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Bauaufträgen/-konzessionen
dann, wenn
- die benötigte Netto-Null-Technologie nur von einem spezifischen Wirtschaftsteilnehmer geliefert werden kann und es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt;
- bei einem ähnlichen Verfahren in den unmittelbar vorangehenden zwei Jahren keine geeigneten Angebote oder Teilnahmeanträge eingereicht wurden;
- die Anwendung dieser Verpflichtung unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde oder zu technischer Inkompatibilität bei Betrieb und Wartung führen würde;
Resilienzkriterium
Zusätzlich legt Art 25 NZIA fest, dass öffentliche Auftraggeber im Anwendungsbereich des NZIA ein sogenanntes Resilienzkriterium zu beachten haben werden, durch welches sie dazu beitragen sollen, der Abhängigkeit von Drittstaaten bei der Versorgung mit Netto-Null-Technologien entgegenzuwirken. Auch hierfür ist ein näher präzisierender Durchführungsrechtsakt der Europäischen Kommission noch ausständig.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Einführung des Net-Zero Industry Act bedeutende Änderungen für das öffentliche Beschaffungswesen in Österreich hinsichtlich aller Vergaben, die sogenannte Net Zero-Technologien beinhalten, mit sich bringt. Öffentliche Auftraggeber müssen sich auf die neuen vergaberechtlichen Verpflichtungen vorbereiten, um
ihre Vergabeverfahren NZIA-konform ausgestalten zu können.