Reicht die Abrufbarkeit einer Website im Internet aus, um gegen das österreichische Urheberrecht zu verstoßen?

Reicht die Abrufbarkeit einer Website im Internet aus, um gegen das österreichische Urheberrecht zu verstoßen?

von RA Clemens Handl und studentischer Mitarbeiterin Annika Clarissa Grassmayr

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mit einer richtungsweisenden Entscheidung (4 Ob 132/24a) den Schutz von Urheberrechten im digitalen Raum deutlich gestärkt. Im Folgenden analysieren wir das Urteil und beleuchten, unter welchen Voraussetzungen Handlungen im Internet das österreichische UrhG schon bei technischer Abrufbarkeit oder nur aufgrund weiterer Anknüpfungspunkte verletzen.

Hintergrund des Falls und Entscheidung des OGH

Ein österreichischer Berufsfotograf hatte ein Lichtbild geschaffen, das die LED-Beleuchtung eines Stiegenabgangs in einer Wiener Bar zeigt. Ohne seine Zustimmung wurde dieses Foto vom Betreiber eines niederländischen Einzelunternehmens auf einer kommerziellen Website in niederländischer Sprache mit niederländischer Top-Level-Domain (.nl) eingebunden. Der niederländische Unternehmer verkaufte keine Waren nach Österreich und die Website war deutlich auf niederländische Kunden ausgerichtet. Aufgrund der Funktionsweise des Internets war die Website aber natürlich auch in Österreich technisch anrufbar.

Der Fotograf machte einen Eingriff in sein Zurverfügungstellungsrecht nach § 18a UrhG geltend, das gem § 74 Abs 7 UrhG auch dem Hersteller eines Lichtbilds zusteht. Das Zurverfügungstellungsrecht beinhaltet das Recht zu entscheiden, ob und wie das Werk oder das Lichtbild der Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Fotograf forderte die Unterlassung der unbefugten Zurverfügungstellung und Veröffentlichung sowie Schadenersatz.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie argumentierten, dass ein wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug erforderlich sei, um eine Verletzung des österreichischen Urheberrechts anzunehmen. Die Website müsse sich an österreichische Nutzer richten, um einen derartigen Inlandsbezug aufzuweisen. Dies sei hier nicht der Fall. Die reine technische Abrufbarkeit der Website im Internet sei jedenfalls nicht ausreichend.

Der Oberste Gerichtshof stellte sich in seinem Urteil daher die Frage, ob die reine technische Abrufbarkeit einer Website in Österreich ausreichend ist, um einen Verstoß gegen das österreichische Urheberrecht zu begründen, auch wenn die Website nicht auf österreichische Nutzer ausgerichtet ist.

Entscheidung des OGH

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Fotografen teilweise statt und verurteilte den niederländischen Unternehmer zur Unterlassung der Veröffentlichung des Lichtbilds in Österreich. Das Höchstgericht stellte klar:

Kein „commercial effect“ im Urheberrecht erforderlich

Im Gegensatz zum Markenrecht ist es im Urheber- und Leistungsschutzrecht nicht erforderlich, dass sich eine Website gezielt an österreichische Nutzer richtet, damit eine Verletzung angenommen werden kann. Die Nutzung „im geschäftlichen Verkehr“, die für eine Markenverletzung erforderlich ist, ist für eine Verletzung des Urheberrechts gerade nicht erforderlich.

Neben den wirtschaftlichen Verwertungsrechten hat der Urheber auch persönlichkeitsrechtliche Ansprüche, die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden. Deshalb muss er die Kontrolle über jede Nutzung behalten können, auch wenn diese Handlung keine wirtschaftliche Verwertbarkeit aufweist. Dies gilt ebenfalls für Lichtbilder und die damit verbundenen Leistungsschutzrechte.

Zudem lassen sich Urheberrechte kaum „aus Versehen“ verletzen, denn wer beispielsweise Fotos auf seiner Website einbindet, weiß in der Regel, ob er diese selbst erstellt hat oder nicht. Im Markenrecht müsste man dies dagegen erst mit einer weltweiten Recherche überprüfen, weshalb das Erfordernis eines commercial effects für eine Urheberrechtsverletzung nicht sachgerecht ist.

Technische Abrufbarkeit ausreichend?

Entscheidend für einen Urheberrechtsverstoß ist, ob das geschützte Werk in Österreich aufgerufen werden kann. Weder eine fremde Sprache, in diesem Fall Niederländisch, noch die Landeskennung der Internetadresse (.nl) ändern etwas daran, dass ein Foto für Nutzer in Österreich zugänglich ist. Sobald jemand den passenden Link eingibt und das Bild ohne Anmeldung, Bezahlung oder andere Hürden sichtbar wird, gilt es als abrufbar.

Die im vorliegenden Fall gegebene Negativfeststellung, dass die Website in Österreich kaum bis gar nicht aufgerufen wird, hat dabei auch keinen Einfluss auf etwaige Ansprüche. Die Verletzung des Urheberrechts nach § 18a UrhG hängt nämlich nicht davon ab, ob das Werk tatsächlich von jemandem abgerufen wird, sondern lediglich davon, ob es grundsätzlich abrufbar ist.

Die Frage, ob die bloße Abrufbarkeit einer Website ohne weitere Anknüpfungspunkte in Österreich ausreicht, um eine Verletzung des Zurverfügungstellungsrechts nach § 18a UrhG anzunehmen, war für die Entscheidung des OGH im vorliegenden Fall aber nicht ausschlaggebend, da weitere Berührungspunkte vorliegen, die (gemeinsam mit der technischen Abrufbarkeit) einen Urheberrechtsverstoß darstellen:

Durch die Einbettung des Lichtbilds auf der Website werden die Verwertungsrechte des Herstellers als Leistungsschutzberechtigten am Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeiten geschmälert. Der Hersteller hat nicht mehr die Möglichkeit, Kunden ausschließliche Werknutzungsrechte einzuräumen.

Ohne Vereinbarung zur Werknutzung in Österreich fehlt typischerweise auch die Herstellerbezeichnung. Dadurch entgeht dem Hersteller die Möglichkeit, Anerkennung für sein Wirken zu erfahren, seine Bekanntheit zu erhöhen und neue Kunden zu gewinnen.

Folgen und Bedeutung des Urteils

Klargestellt wurde daher im Urteil, dass die technische Abrufbarkeit einer Website in Österreich in Verbindung mit weiteren Anknüpfungspunkten ausreicht, um einen Urheberrechtsverstoß zu begründen.

Die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs, dass kein „commercial effect“ für eine urheberrechtliche Verletzung notwendig ist, lassen zudem die Tendenz erkennen, dass die technische Abrufbarkeit allein, ohne weiter Anknüpfungspunkte auch schon urheberrechtlich problematisch sein könnte.

Die Entscheidung stärkt den Schutz von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im Internet deutlich, denn Betreiber ausländischer Websites können sich nicht mehr darauf berufen, dass ihre Inhalte nicht auf Österreich ausgerichtet sind. Sobald ein Werk in Österreich technisch abrufbar ist und jedenfalls dann, wenn weitere Anknüpfungspunkte bestehen, ist dies ein Eingriff in § 18a UrhG.

Fazit

Das Urteil 4 Ob 132/24a setzt ein wichtiges Signal: Wer urheberrechtlich geschützte Inhalte benutzt, muss bedenken, dass allein eine internationale Abrufbarkeit urheberrechtliche Folgen in Österreich haben kann. Für die Urheber und Leistungsschutzberechtigte bedeutet es stärkere Handhabe, um gegen die unbefugte Nutzung von Werken im Internet vorzugehen.

Clemens Handl

Kontakt:

RA Mag. Clemens Handl, LL.M.: handl@chg.at

Rechtsanwalt und Leiter der Praxisgruppe data & technology

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