EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung in Geltung

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EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung in Geltung

EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung in Geltung

von  RA Dr. Daniel Tamerl und RAAin MMAg. Katharina Schwager

Die EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung gelten seit 30. Juni 2021 – Was hat sich für österreichische Banken geändert, was für Unternehmer?

Am 29. Mai 2020 hat die Europäische Bankenaufsicht (EBA) die finale Version der Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung (Guidelines on loan origination and monitoring, EBA/GL/2020/06) veröffentlicht. Die EBA-Leitlinien legen Mindeststandards für den gesamten Prozess der Kreditvergabe fest und stellen strikte Anforderungen an das Risikomanagement von Banken und sonstigen Finanzinstituten.

Die EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung sind auf Kredite anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 gewährt werden und ersetzen die bisherigen Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung aus dem Jahr 2015 (Guidelines on creditworthiness, EBA/GL/2015/11).

Finanzinstitute unterliegen nunmehr einem noch strengeren Regelungswerk – ein Überblick:

 

Was sind EBA-Leitlinien?

Die Leitlinien der EBA beruhen auf einer entsprechenden Mandatierung in Art 16 EBA-VO (Verordnung [EU] 1093/2010). Aufbauend auf den Erfahrungen der nationalen Aufsichtsbehörden sollen sie einheitliche, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken in der EU schaffen und so eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts sicherstellen.

 

Sind EBA-Leitlinien verbindlich?

Leitlinien sind im abschließenden Rechtsquellenkatalog des Art 288 AEUV (Verordnung, Richtlinie, Beschluss, Empfehlung, Stellungnahme) nicht genannt und somit rechtlich grundsätzlich nicht verbindlich. Dennoch ist den EBA-Leitlinien eine maßgebliche Wirkung zuzuerkennen, zumal sie den Sorgfaltsmaßstab, den Finanzinstitute zu beachten haben, definieren. Nach Art 16 Abs 3 EBA-VO haben nämlich sowohl die Finanzinstitute als auch die zuständigen Aufsichtsbehörden alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um den Vorgaben der Leitlinien nachzukommen. Im Zuge dessen müssen die zuständigen Aufsichtsbehörden der EBA anzeigen, dass sie den jeweiligen Leitlinien nachkommen werden oder begründen, warum sie das nicht tun (comply or explain-Prinzip).

Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) hat die EBA bereits informiert, dass sie und die Österreichische Nationalbank (OeNB) die EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung als Prüfmaßstab ihrer Aufsichtstätigkeit heranziehen werden.

 

Ziel der EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung (EBA/GL/2020/06)

Die EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung haben unter anderem das Ziel, die Finanzstabilität und Widerstandskraft des EU-Bankensystems zu sichern. Die Vergabe von Krediten, die nach deren Gewährung notleidend werden (Non-Performing Loans), soll vermieden und so das Vertrauen in die Finanzwirtschaft gestärkt werden.

Die Mindeststandards für die Kreditvergabe und Überwachung im Überblick

Die Leitlinien regeln die nunmehr von Finanzinstituten zu beachtenden Mindeststandards in fünf Abschnitten (Abschnitte 4. bis 8. der Leitlinien).

Der vierte Abschnitt „Interne Governance für Kreditvergabe und Überwachung“ gibt einen Rahmen für die interne Abhandlung der Kreditvergabe vor und legt zugleich Kreditrisikostandards fest. Die in diesem Abschnitt in den Bereichen Umwelt, Soziales, Geldwäsche und technologische Innovation gesetzten Schwerpunkte spiegeln die gegenwärtigen aufsichtsrechtlichen Prioritäten wider. So werden etwa automatisierte technisch innovative Modelle für die Kreditwürdigkeitsprüfung sowie Strategien und Verfahren zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung festgelegt und Aspekte einer ökologisch nachhaltigen Kreditvergabe berücksichtigt.

Der fünfte Abschnitt („Verfahren zur Kreditvergabe“) ist der umfangreichste Teil der Leitlinien und konzentriert sich auf die kritischen Aspekte der Kreditwürdigkeitsprüfung. So legen die Leitlinien einen Mindestkatalog an kundenspezifischen Informationen und Daten fest, über die die Finanzinstitute vor dem Abschluss eines Kreditvertrags zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit und des Risikoprofils des Kreditwerbers verfügen sollen. Die Leitlinien stellen unterschiedliche Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung von Verbrauchern und Unternehmern und enthalten darüber hinaus kreditsegmentspezifische Besonderheiten. Neben einer entsprechenden Bewertung der Finanzlage ist auch die künftige Rückzahlungsfähigkeit unter potenziell negativen kredit- und marktbezogenen Entwicklungen zu beurteilen („Sensitivitätsanalyse“). Nur wenn sich der Kreditgeber vergewissert hat, dass die für eine Kreditvergabe erforderlichen Voraussetzungen und Bedingungen erfüllt sind, darf er einen Kreditvertrag abschließen. Die Kreditentscheidung sowie die Entscheidungsgrundlagen sind dabei ausführlich zu dokumentieren.

Im kurzen sechsten Abschnitt („Bepreisung“) finden sich insbesondere Vorgaben zur internen Preiskalkulation sowie zur Kostenverteilung.

Die Bewertung von Immobilien und beweglichen Vermögenswerten als Kreditsicherheiten wird im siebten Abschnitt gesondert behandelt. Neben einem internen Verfahren für die Bewertung von Sicherheiten verlangen die Leitlinien eine korrekte Bewertung der Sicherheit zum Zeitpunkt der Kreditvergabe.

Der achte Abschnitt („Überwachungssystem“) beinhaltet Vorgaben zum Kreditrisikoüberwachungsprozess. Kreditinstitute müssen eine angemessene Dateninfrastruktur einrichten und eine automatisierte Datenaufbereitung sicherstellen, mit dem die aktuelle und wirksame Überwachung von Kreditrisiken, Sicherheiten und sonstigen Informationen der Kreditnehmer bewerkstelligt wird. Die Überwachung soll sich auf interne und externe Quellen stützen und Frühwarnindikatoren verwenden. Sollten Frühwarnindikatoren anschlagen, sind die Ursachen zu analysieren und zu bewerten.

 

Fazit

Finanzinstitute müssen bei der Vergabe von Neukrediten seit 30. Juni 2021 einen noch strikteren Sorgfaltsmaßstab erfüllen, und zwar unabhängig davon, ob der Kreditwerber Verbraucher oder Unternehmer ist. Die nunmehr geltenden Standards betreffen in erster Linie die Kreditwürdigkeitsprüfung und das fortlaufende Risikomanagement, mit dem Zweck, ausfallgefährdete Kredite zu vermeiden. Kreditwerbenden und -nehmenden Unternehmen ist daher zu raten, die eigenen Ratings und sonstigen Kreditwürdigkeitsdaten noch strenger als bisher zu überwachen.

 

Disclaimer

Die vorstehenden Ausführungen geben lediglich einen allgemeinen Überblick. Der Beitrag kann die Beratung im Einzelfall allerdings nicht ersetzen. Gerne stehen wir Ihnen für weitere Fragen zu dem Thema zur Verfügung.

 

Dr. Daniel Tamerl ist Partner, MMag. Katharina Schwager ist Rechtsanwaltsanwärterin bei CHG Czernich Rechtsanwälte.

Hier steht Ihnen der Text zum Download als PDF zur Verfügung:

Dr. Daniel Tamerl

MMag. Katharina Schwager