Novellen des Verbraucherkreditrechts in Kraft

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Novellen des Verbraucherkreditrechts in Kraft

Novellen des Verbraucherkreditrechts in Kraft

Von RA Dr. Daniel Tamerl und RAA MMag. Katharina Schwager

Mit 1. Jänner 2021 wurde das Verbraucherkreditgesetz (VKrG) an für die vorzeitige Rückzahlung von Krediten wesentliche, unionsrechtliche Vorgaben angepasst. Im Zuge dessen wurde auch das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz (HIKrG) novelliert.

Auslöser für diese Novellierungen war eine bereits im Jahr 2019 ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH 11. 9. 2019, C-383/18, „Lexitor“), die sich mit der Auslegung der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG befasst.

Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die Novellierungen einschließlich ihres Hintergrundes bieten.

Vorzeitige Kreditrückzahlung im Lichte der Verbraucherkredit-Richtlinie

Zum Zweck der Aufrechterhaltung eines allgemein hohen Verbraucherschutzniveaus in den EU-Mitgliedsstaaten ist der Verbraucher nach der Verbraucherkredit-Richtlinie im Speziellen berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus einem laufenden Kreditvertrag zu jeder Zeit ganz oder teilweise zu erfüllen. In Fortsetzung dieses Grundgedankens ist dem Verbraucher gemäß Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie bei vorzeitiger Tilgung eine Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredites zu gewähren, „die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrages richtet“.

 

Implikationen des Lexitor-Urteils

Im Wege des von einem polnischen Gericht eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens iSd Art 267 AEUV hatte sich der EuGH in seinem Lexitor-Urteil mit Verbraucherkreditverträgen zu befassen, bei denen Verbraucher den kreditgewährenden Banken eine Provision zu zahlen hatten, die nicht von der Laufzeit des Kreditvertrages abhängig war. Im Anschluss an die vorzeitige Rückzahlung wurde die Erstattung der gesamten Provisionszahlungen begehrt.

Der EuGH bestätigte in seinem Urteil vom 11.9.2019, dass Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie dahin auszulegen ist,  dass das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten umfasst. Als Begründung führte der EuGH die Sicherstellung eines hohen Verbraucherschutzniveaus sowie den Ausschluss vertraglicher Umgehungsmöglichkeiten durch Umwandlung von laufzeitabhängigen in laufzeitunabhängige Kosten an.

Im Zuge der vorzeitigen Rückzahlung des Kreditbetrags durch den Verbraucher hat der Kreditgeber somit nicht nur die laufzeitabhängigen Kosten, sondern auch die laufzeitunabhängigen Kosten, wie Kreditbearbeitungsgebühren und Provisionen anteilsmäßig zu erstatten bzw zu erlassen.

Ob für Zahlungen an Dritte, wie etwa an Kreditvermittler, dieselbe Ausnahme von der Ermäßigung wie für Notargebühren gilt, lässt der EuGH in seiner Entscheidung offen.

 

Auswirkungen auf das österreichische Verbraucherkreditrecht

Der österreichische Gesetzgeber hat Art 16 Abs 1 Verbraucherkredit-Richtlinie in der ursprünglichen Fassung des § 16 Abs 1 VKrG dahingehend umgesetzt, dass von der verhältnismäßigen Verringerung ausschließlich laufzeitabhängige Kosten umfasst waren.

Diesem Spannungsverhältnis zum Lexitor-Urteil des EuGH wurde nunmehr mit der Novellierung der entsprechenden Bestimmung Abhilfe verschafft. Die durch Anführung der „laufzeitabhängige[n]“ Kosten unionsrechtswidrig vorgenommene Differenzierung wurde im Gesetzestext durch die Ersetzung mit dem bestimmten Artikel „die“ beseitigt.

Ebendiese Änderung wurde auch im – auf der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 2014/17/EU beruhenden – wortgleichen § 20 Abs 1 HIKrG übernommen.

Direkt an Dritte oder über den Umweg des Kreditgebers an Dritte zu leistende Vermittlungsprovisionen seien nach den Erläuterungen „aus Sachlichkeitserwägungen“ von einer vorzeitigen Rückzahlung hingegen nicht betroffen. Ob diese Intention des nationalen Gesetzgebers auch vom EuGH bestätigt wird, bleibt abzuwarten. Das letzte Wort zur Auslegung europäischer Richtlinien liegt nämlich bekanntlich beim EuGH liegt.

Die Anpassung des VKrG gelangt – hinsichtlich des Vertragsabschlusses auch rückwirkend – auf Kreditverträge zur Anwendung, die nach dem 11. September 2019 geschlossen bzw gewährt wurden, sofern die vorzeitige Rückzahlung nach dem 31. Dezember 2020 erfolgt. Hingegen ist beim novellierten HIKrG die Rückwirkung auf vor Inkrafttreten bereits bestehende Kreditverträge ausgeschlossen, zumal sich die vom EuGH festgestellte Richtlinienwidrigkeit nicht auf die diesem Gesetz zugrundeliegende Wohnimmobilienkredit-Richtlinie bezieht.

 

Weitere Novellierungen im Verbraucherkreditrecht

Im Zuge der genannten Novellierungen wurde außerdem die in den Richtlinien vorgesehene Option zur Ausnahme ihrer Anwendung auf Kreditierungen im Gemeinwohlinteresse, die zinslos oder zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zinssatz gewährt werden, wie zB zum Zweck der Wohnbauförderung, wortgleich in das VKrG und das HIKrG übernommen. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es im Speziellen, die in diesen Gesetzen vorgesehene, strenge Kreditwürdigkeitsprüfung bei der Weitergabe von Kreditkonditionen der gemeinnützigen Bauvereinigung an den Mietkaufenden im Rahmen der nachträglichen Eigentumsübertragung nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) zu vermeiden.

Zu guter Letzt hat der Gesetzgeber im Rahmen der Novellierung einige redaktionelle, nicht im Detail zu nennenden Anpassungen des VKrG und des HIKrG vorgenommen.

 

Disclaimer

Diese Ausführungen sollen Ihnen lediglich einen allgemeinen Überblick über die Novellen des Verbraucherkreditrechts geben, können die Beratung im Einzelfall allerdings nicht ersetzen. Gerne stehen Ihnen unsere Experten für Fragen rund um staatliche Unterstützungsmaßnahmen sowie gesellschaftsrechtliche Fragestellungen zur Verfügung.

 

Dr. Daniel Tamerl ist Rechtsanwalt, MMag. Katharina Schwager ist Rechtsanwaltsanwärterin bei CHG Czernich Rechtsanwälte.

Dr. Daniel Tamerl

MMag. Katharina Schwager