OGH-Urteil zu Sollzinsen während des Kreditmoratoriums – was sagt der OGH wirklich?

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OGH-Urteil zu Sollzinsen während des Kreditmoratoriums – was sagt der OGH wirklich?

Keine Sollzinsen während des Kreditmoratoriums nach § 2 des 2. COVID-19-JuBG? Der OGH differenziert.

Von RA Dr. Daniel Tamerl

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in seiner Entscheidung 3 Ob 189/21x erstmals zur strittigen Frage Stellung genommen, ob Kreditgeber für die Zeit des Kreditmoratoriums nach § 2 des 2. COVID-19-JuBG Sollzinsen verrechnen dürfen. Der OGH differenziert zwischen gesetzlicher und vereinbarter Stundung. Was bedeutet die Entscheidung für Banken und Kreditgeber?

Als eine der ersten Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie wurde mit § 2 des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz (2. COVID-19-JuBG) eine Regelung über die Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungen bei Kreditverträgen in Kraft gesetzt. Diese Bestimmung sieht eine Erleichterung für Kreditnehmer vor, die vor dem 15. März 2020 einen Kredit aufgenommen haben und von der COVID-19-Pandemie unmittelbar betroffen sind. Die Regelung bezieht sich auf Verbraucherkreditverträge und Unternehmenskredite an Kleinstunternehmen im Sinn der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG.

Stundung der Rückzahlungsansprüche des Kreditgebers

Nach § 2 Abs 1 des 2. COVID-19-JuBG (idgF) gelten Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1. April 2020 und 31. Jänner 2021 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von zehn Monaten als gestundet, wenn der Kreditnehmer aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Für die Dauer der Stundung befindet sich der Kreditnehmer mit der Zahlung dieser Leistungen nicht in Verzug; während dieser Zeit fallen daher auch keine Verzugszinsen an.

Abweichende Vereinbarungen zulässig

Die Vertragsparteien konnten von diesen gesetzlichen Regelungen des § 2 Abs 1 des 2. COVID-19-JuBG abweichende Vereinbarungen treffen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen (§ 2 Abs 3 des 2. COVID-19-JuBG).

Automatische Verlängerung um zehn Monate

Kam eine abweichende Regelung für den Zeitraum nach dem 31. Jänner 2021 nicht zustande, so verlängert sich die Vertragslaufzeit ex-lege um zehn Monate. Die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben (§ 2 Abs 3 des 2. COVID-19-JuBG).

Sollzinsen während des Stundungszeitraums?

Umstritten war zu dieser Regelung bisher vor allem die Frage, ob dem Kreditgeber für den Stundungszeitraum die vertraglichen Sollzinsen zustehen. In den Gesetzesmaterialien finden sich dazu keine Hinweise.

Der OGH hat zu dieser Frage nun in seiner Entscheidung 3 Ob 189/21x Stellung genommen. Die wichtigsten Aussagen der Entscheidung im Überblick:

  • § 2 Abs 1 des 2. COVID-19-JuBG ordnet eine echte, die vertragliche Fälligkeit verschiebende Stundung an.
  • Außerhalb des Anwendungsbereichs des 2. COVID-19-JuBG wird ein Kreditgeber in der Regel nur dann zur Gewährung einer echten Stundung bereit sein, wenn der Kreditnehmer für diesen Zeitraum auch die vertraglichen Sollzinsen trägt. Auch das 2. COVID-19-JuBG eröffnete in seinem § 2 Abs 3 den Banken die Möglichkeit, solche Vereinbarungen mit ihren Kreditnehmern zu treffen.
  • Wenn zwischen den Vertragsparteien keine einvernehmliche Regelung zustande kam, trat gemäß § 2 Abs 6 des 2. COVID-19-JuBG eine automatische Verlängerung der Laufzeit des Kreditvertrags um den zehnmonatigen Stundungszeitraum ein. Es soll im Anschluss an diese gesetzliche Stundung der Vertrag wie ursprünglich vereinbart fortgesetzt werden, nur wird die Fälligkeit jeder einzelnen Leistung für den gesamten Vertrag um (letztlich) zehn Monate verschoben.
  • § 2 Abs 6 des 2. COVID-19-JuBG normiert (mangels einvernehmlicher Regelung) somit die gesetzliche Regelung, dass sich der vom Kreditnehmer aufgrund des Kreditvertrags insgesamt zu zahlende Gesamtbetrag infolge der gesetzlichen Stundung nicht erhöhen darf. Im Fall einer gesetzlich eingetretenen Stundung ist für Sollzinsen im Stundungszeitraum somit kein Raum.

Fazit

Der OGH hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass einem Kreditgeber (nur) im Fall einer gesetzlich eingetretenen Stundung nach § 2 Abs 6 des 2. COVID-19-JuBG keine Sollzinsen zustehen. Zugleich hält der OGH fest, dass davon abweichende Vereinbarungen, wonach der Kreditnehmer auch im Stundungszeitraum die vertraglichen Sollzinsen zu tragen hat, im Rahmen des § 2 Abs 3 des 2. COVID-19-JuBG, möglich waren. Kreditgeber sollten im Fall von Rückforderungsansprüchen somit genau prüfen, ob die Stundung auf einer Vereinbarung beruht oder nach § 2 Abs 6 des 2. COVID-19-JuBG ex-lege eingetreten ist.

Diese Ausführungen stellen einen Überblick dar und können die Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Für Detailfragen steht Ihnen unser Team von CHG Czernich Rechtsanwälte gerne zur Verfügung.

Dr. Daniel Tamerl ist Partner und Leiter der Praxisgruppe Banking & Finance bei CHG Czernich Rechtsanwälte.

Dr. Daniel Tamerl