EU-Schwellenwerte 2026/27 im Vergaberecht: Voraussichtliche Senkung ab 1. Jänner 2026
von RA Ass.-Prof. MMag. Dr. Arnold Autengruber
Die Europäische Kommission hat im Rahmen der turnusmäßigen Zweijahresanpassung nach den Vergaberichtlinien und dem GPA-Wechselkursmechanismus die neuen EU-Schwellenwerte berechnet. Die förmliche Annahme der delegierten Verordnungen steht noch aus. Die Anwendbarkeit ist ab 1. Jänner 2026 vorgesehen. Nach derzeitigem Stand sinken die maßgeblichen Schwellenwerte.
Rechtlicher Hintergrund
Die Schwellenwerte nach den Richtlinien 2014/24/EU, 2014/25/EU und 2014/23/EU werden alle zwei Jahre an die Entwicklung der Sonderziehungsrechte (SZR) angepasst. Die Umrechnung in Euro erfolgt gemäß GPA-Mechanismus über delegierte Verordnungen der Kommission. Mit deren Veröffentlichung im Amtsblatt werden die Beträge verbindlich. Nationale Schwellen (z.B. Unterschwellenrecht) bleiben unberührt, können aber durch die EU-Anpassung faktisch berührt werden, etwa bei der Abgrenzung zum Oberschwellenbereich.
Geplante Schwellenwerte 2026/27
Aviso: Die angeführten Beträge sind bis zur Veröffentlichung im ABl der EU vorläufig.
• Bauaufträge (alle Richtlinien): EUR 5.404.000 (zuvor EUR 5.538.000)
• Zentrale Auftraggeber (Liefer-/Dienstleistungen): EUR 140.000 (zuvor EUR 143.000)
• Subzentrale Auftraggeber (Liefer-/Dienstleistungen): EUR 216.000 (zuvor EUR 221.000)
• Sektorenauftraggeber (Liefer-/Dienstleistungen): EUR 432.000 (zuvor EUR 443.000)
Vergleichstabelle
Kategorie | 2024/25 | 2026/27 (geplant) | Tendenz |
Bauaufträge | 5.538.000 € | 5.404.000 € | ↓ |
Zentrale AG (Liefer/DL) | 143.000 € | 140.000 € | ↓ |
Subzentrale AG (Liefer/DL) | 221.000 € | 216.000 € | ↓ |
Sektoren (Liefer/DL) | 443.000 € | 432.000 € | ↓ |
Praktische Implikationen für Auftraggeber
• Beschaffungskalender anpassen: Terminpläne, Bekanntmachungen und Budgetierungen rechtzeitig auf die niedrigeren Schwellen umstellen. Mehr Verfahren fallen in den Oberschwellenbereich.
• Fristen & Prozessrisiken: Bei Vorhaben nahe an der Schwelle können schon geringe Preis-/Mengenänderungen die Verfahrensart kippen. Längere gesetzliche Mindestfristen und zusätzliche Bekanntmachungspflichten sind einzuplanen.
• Losbildung & Wertschätzung: Stringente Schätzung dokumentieren. Unzulässige Aufsplittung („Salamitaktik“) zur Schwellenunterschreitung vermeiden.
• Dokumentationspflichten: Vergabevermerk, Auswahl- und Zuschlagskriterien, Eignungsnachweise sowie Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsätze frühzeitig in Einklang bringen.
• Plan B für Verzögerungen: Längere Laufzeiten für Bekanntmachung/Angebotsfristen berücksichtigen. Projekt- und Bauzeitenpuffer sind zu erweitern.
Praktische Implikationen für Unternehmen/Bieter
• Dealflow monitoren: Mehr EU-weite Bekanntmachungen bedeuten zusätzliche Marktchancen.
• Eignungsstrategie: Schwellennahe Projekte verlangen oft strengere Eignungs- und Zuschlagslogiken. Nachweise sollte man frühzeitig kuratieren (Referenzen, Kapazitäten, Nachhaltigkeitsangaben).
• Kalkulation & Preisstände: Bei volatilen Inputpreisen kann ein kleiner Aufschlag die Schwelle überschreiten. Hier empfiehlt es sich, Angebotsstrategie und Bieterfragerechte gezielt zu nutzen.
• Rechtsschutz: Prüf- und Rechtsmittelstrategien an oberschwellenrechtliche Maßstäbe anpassen (z.B. Fristen, Gebühren).
Was jetzt zu tun ist?
1. Schwellenscreening aller 2026 startenden Vorhaben.
2. Verfahrenslandkarte aktualisieren (national vs. EU-weit, Verfahrensarten).
3. Vergabeunterlagen (Eignung, Kriterien, Zuschlagsmatrix) auf Oberschwellen-Compliance prüfen.
4. Zeitachsen mit Mindestfristen synchronisieren.
5. Stakeholder-Briefing (Einkauf, Fachabteilung, Controlling, Projektleitung).
Hinweis: Die endgültigen Beträge stehen fest, sobald die delegierten Verordnungen im Amtsblatt veröffentlicht sind. Bis dahin empfiehlt sich eine vorsichtige Planung auf Basis der niedrigeren Werte.
Ass.-Prof. MMag. Dr. Arnold Autengruber: autengruber@chg.at
Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht und Vergaberecht
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