Vergaberechtsgesetz 2026 in Begutachtung: Was sich ändert und warum eine Beteiligung jetzt möglich ist
von RA Ass.-Prof. MMag. Dr. Arnold Autengruber
Stand: 15. Oktober 2025. Begutachtungsfrist bis 7. November 2025, 12:00 Uhr.
Seit 10.10.2025 befindet sich der Entwurf eines Vergaberechtsgesetzes 2026 (Novelle zum BVergG 2018 und Schwesterrechtsakten) im Begutachtungsverfahren. Leitmotive sind die Integration von eForms mit verbindlicher Datenstruktur, Transparenz durch eine einheitliche Bekanntgabeschwelle, Schärfungen im Rechtsschutz und Klarstellungen bei Rahmenvereinbarungen. Ziel ist eine höhere Nachvollziehbarkeit, Statistikfähigkeit und EU-Konformität.
Kurzfazit: Die Novelle verschiebt Prüfzeitpunkte, standardisiert Datenschnittstellen, verbreitert Bekanntgabepflichten und erneuert den Rechtsschutz – mit unmittelbaren Folgen für Auftraggeber und Bieter.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
1) Unterschwellenbereich: Schwellenwerteregime im Dauerrecht
• Das bislang befristete Regime wird entfristet und als Dauerrecht verankert.
• Praxiswirkung: Planungssicherheit für Auftraggeber; Bieter erhalten stabilere Erwartungswerte.
2) eForms-Pflicht & Datenstruktur
• Bekanntmachungen/Bekanntgaben sind künftig in standardisierten EU-Formularen (eForms) zu erstellen und maschinenlesbar bereitzustellen.
• Praxiswirkung: Weniger Medienbrüche; bessere Auswertbarkeit; erleichterte Compliance-Prüfung.
3) Einheitliche Bekanntgabeschwelle ab 50.000 €
• Zuschläge – auch unterhalb der EU-Schwellenwerte – unterliegen grundsätzlich einer Bekanntgabepflicht ab 50.000 €.
• Praxiswirkung: Transparenz und Marktzugang steigen. Auftraggeber müssen Prozesse und Publikationsroutinen anpassen.
4) Rahmenvereinbarungen präzisiert
• Die Zuschlagsentscheidung wird mit der Entscheidung über den Abschluss der Rahmenvereinbarung gleichgesetzt.
• Höchstmenge/-wert bleiben verbindliche Begrenzungsparameter.
• Praxiswirkung: Sicherere Auslegung, weniger Nachprüfungsrisiko bei Abrufen.
5) Flexibilisierung des Eignungszeitpunkts
• Die Eignung muss spätestens zu gesetzlich definierten Prüfzeitpunkten vorliegen (Nachweisfrist, Datenbankzugriff, Mängelbehebung).
• Der maßgebliche Zeitpunkt wird verfahrenslogisch nach hinten verschoben.
• Praxiswirkung: Fehlerquellen für Bieter werden reduziert. Auftraggeber benötigen eine klare Dokumentationslogik.
6) Direktvergabe neu justiert
• Schwellen und Verfahrenslogik werden präzisiert.
• Ab 50.000 € geschätztem Auftragswert ist regelmäßig das Bemühen um drei Angebote/Preisauskünfte zu dokumentieren.
• Praxiswirkung: Nachweisführung rückt ins Zentrum. Vorlagen und interne Richtlinien sind anzupassen.
7) Selbstreinigung & Mitwirkungspflichten
• Klarstellungen bei laufenden Untersuchungen. Verstärkte Mitwirkungspflichten der Unternehmer insbesondere zu Schadenersatz.
• Praxiswirkung: Substantiierte Self-Cleaning-Konzepte (Compliance, Reparation, Kooperation) gewinnen an Gewicht.
8) Rechtsschutz: neues Gebührensystem
• Umstellung auf wertbezogene Kategorien.
• Ausschreibungsunterlagen müssen die zuständige Vergabekontrollbehörde und Gebühreninformationen enthalten.
• Anwendungsbereich vorerst nur im Bundesbereich; Länder werden voraussichtlich nachziehen.
• Praxiswirkung: Kalkulierbarkeit steigt; Formmängelrisiko bei Bekanntgabe der Rechtsmittelinformationen sinkt.
Systematische Einordnung
• EU-Bezug & eForms: Die verbindliche Nutzung von eForms operationalisiert die Digital-by-Default-Anforderungen und stärkt die statistische Kohärenz im Binnenmarkt.
• Transparenz vs. Verfahrensökonomie: Die 50.000 €-Schwelle nivelliert den Informationszugang im Unterschwellenbereich. Der entstehende Mehraufwand soll durch klarere Marktinformation kompensiert werden.
• Eignungszeitpunkt: Die Verlagerung des Prüfzeitpunkts ist bieterfreundlich, bleibt dabei rechtsstaatlich unbedenklich, sofern die materielle Eignung spätestens zum gesetzlichen Stichtag nachweisbar ist.
• Rahmenvereinbarungen: Die Qualifikation der Zuschlagsentscheidung als Rahmenvertragsabschluss vermeidet eine Vermengung mit Abrufentscheidungen und schützt die Begrenzungsfunktion von Höchstmengen/-werten.
• Rechtsschutzgebühren: Die wertbezogene Staffel erhöht die Proportionalität. Informationspflichten in den Unterlagen minimieren Zugangshürden.
To-do-Liste für die Praxis (Auftraggeber)
1. Publikationsprozesse auf eForms umstellen (Workflows, Schnittstellen, Qualitätssicherung maschinenlesbarer Daten).
2. Bekanntgabe-Check ab 50.000 € etablieren (Templates, Vier-Augen-Prinzip).
3. Direktvergabe-Dokumentation: Standardformular für 3-Angebote-Bemühung implementieren.
4. Eignungsprüfung: Prüfpunkte im Zeitstrahl eines Vergabeverfahrens nachjustieren. Nachweisfristen und Datenbankzugriffe klar regeln.
5. Ausschreibungsunterlagen: Kontrollbehörde und Gebühreninformation verpflichtend aufnehmen.
6. Rahmenvereinbarungen: Höchstmenge/-wert präzise festlegen und Überwachung der Abrufe einrichten.
To-do-Liste für die Praxis (Bieter)
1. Eignungsnachweise prozessual später abrufbar halten (Register-Zugänge, Compliance-Ordner).
2. Selbstreinigung: Dokumentierte Mitwirkung und Schadenersatz-Strategie vorbereiten.
3. Monitoring der Zuschlagsbekanntgaben ab 50.000 € zur Marktbeobachtung.
Fristen & Unterlagen
• Begutachtungsfrist: bis 7. November 2025, 12:00 Uhr
• Stellungnahmen an: vergaberecht@bmj.gv.at
• Entwurfsunterlagen sind unter folgendem Link abrufbar: https://www.bmj.gv.at/ministerium/gesetzesentwuerfe/Entw%C3%BCrfe-2025/Vergaberechtsgesetz-2026.html
Ass.-Prof. MMag. Dr. Arnold Autengruber: autengruber@chg.at
Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht und Vergaberecht
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