Private Wohnkredite: Die KIM-Verordnung geht, strenge Vergabestandards bleiben
RA Dr. Daniel Tamerl, RAA Marko Pavlovic, LL.M. (WU)
Die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) hat viel Aufsehen erregt. Sie trat mit 01. August 2022 in Kraft und legte Maßnahmen zur Verminderung von festgestellten Veränderungen in der Intensität des systemischen Risikos bei Fremdkapitalfinanzierungen von Wohnimmobilien fest. Die KIM-V endete mit Ablauf des 30. Juni 2025. Sie wurde nicht verlängert.
Makroprudenzielle Aufsicht durch das Finanzmarktstabilitätsgremium
Dem Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) obliegt die makroprudenzielle Aufsicht in Österreich, es analysiert Risiken für die Stabilität des österreichischen Finanzsystems. Die Aufgaben des Gremiums sind die Stärkung der Zusammenarbeit in makroprudenziellen Fragen und die Förderung der Finanzmarktstabilität. Das FMSG erörtert finanzmarktstabilitätsrelevante Themen und kann Empfehlungen oder Risikohinweise an die FMA abgeben.
44. Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums
Vor dem Hintergrund, dass die KIM-V nicht über den 30. Juni 2025 hinaus verlängert werden sollte, hat das FMSG in seiner Sitzung vom 2. Dezember 2024 die Finanzmarktaufsicht (FMA) ersucht, geeignete Maßnahmen zur Sicherung der von der KIM-V etablierten Vergabestandards zu prüfen. In der Pressemitteilung zur 44. Sitzung des FMSG vom 26. Februar 2025 hat dieses darauf hingewiesen, dass eine nachhaltige Kreditvergabe für die Stabilität des Finanzmarkts essenziell bleibt und folgende Leitlinie befürwortet:
- Leitlinie zu den Vergabestandards: Das FMSG betont, dass die Beleihungsquote nicht mehr als 90 %, die Schuldendienstquote nicht mehr als 40 % und die maximale Laufzeit nicht mehr als 35 Jahre betragen soll. Der Anteil der Kredite, die diese Kriterien nicht erfüllen, soll nicht mehr als 20 % der Neukreditvergabe in einem Quartal ausmachen.
- Erhöhung der Meldefrequenz: Die FMA wird für ein zeitnäheres Monitoring der Vergabestandards die entsprechende Datenerhebung („VERA-H“) auf eine vierteljährliche Meldung umstellen.
- Zusätzliche Veröffentlichungen: Die Oesterreichische Nationalbank (ÖNB) wird Details zur Entwicklung der Kreditvergabe regelmäßig veröffentlichen.
- Kapitalbezogene Maßnahmen: Das Gremium wird in den kommenden Sitzungen gemeinsam mit Finanzmarktaufsicht und Oesterreichischer Nationalbank kapitalbezogene Maßnahmen evaluieren.
FMA-Rundschreiben zur soliden Vergabe von Wohnimmobilienkrediten
Die FMA hat nun mit einem Rundschreiben zur soliden Vergabe von Wohnimmobilienkrediten (Dokumentnummer 02/2025, veröffentlicht am 26.06.2025) auf die Leitlinien des FMSG reagiert und diese umgesetzt. Auch wenn ein Rundschreiben keine Verordnung ist und sich daraus daher nicht unmittelbar Rechte und Pflichten ableiten lassen, so definiert die FMA damit ihre aufsichtliche Erwartungshaltung bei privaten Wohnimmobilienfinanzierungen. Im Konkreten gibt dieses Rundschreiben die Rechtsansicht der FMA (hinsichtlich der Auslegung des § 5 Abs 1 der KI-RMV) und der sich daraus ergebenden Verhaltenspflichten wieder. Es richtet sich an CRR-Kreditinstitute gemäß § 1a Abs 1 Z 1 BWG mit Sitz im Inland, CRR-Kreditinstitute, die gemäß § 4 Abs 4 BWG konzessioniert sind (Drittlandzweigstellen), sowie an CRR-Kreditinstitute aus Mitgliedstaaten, die in Österreich gemäß § 9 Abs 1 BWG über eine Zweigstelle tätig werden.
Eine solide Kreditvergabe setzt nach dem aktuellen Rundschreiben der FMA künftig insbesondere die Erfüllung folgender drei Kriterien voraus:
- Schuldendienstquote (DSTI): Um die Leistbarkeit sicherzustellen ist grundsätzlich ein Richtwert für eine Schuldendienstquote von 40 % in Verbindung mit einer maximalen Laufzeit von 35 Jahren zu beachten. Der Richtwert wird bei Finanzierungen, bei denen die Zinsbindungsfrist geringer ist als die Laufzeit der Finanzierung, reduziert. Unter Leistbarkeit ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass der Kredit aus dem verfügbaren Einkommen zurückgeführt werden kann und nicht auf die Verwertung von Sicherheiten zurückgegriffen werden muss.
- Beleihungsquote: Ab einer Kredithöhe von EUR 50.000,00 (EUR 100.000,00 unter den in § 6a Abs. 2c VERA-V genannten Voraussetzungen) sind Sicherheiten zu verlangen, die ausreichen, um die Finanzierung vollständig abzudecken. Als Richtwert gilt eine Beleihungsquote von maximal 90 % bei Kreditvergabe. Damit soll dem Risiko begegnet werden, dass das für die Berechnung der Schuldendienstquote herangezogene Einkommen entweder nicht in der erwarteten Höhe und/oder nicht über den gesamten Zeitraum des Kredits generiert wird.
- Laufzeit: Bei der Laufzeit hat mit zu erwarteten Einkommensströmen des:der Kreditnehmer:in im Einklang zu stehen. Es sind die Lebenserwartung, die Reduktion des Einkommens infolge Pensionierung und die mit steigendem Lebensalter steigenden Risiken adäquat zu berücksichtigen. Laufzeiten von über 35 Jahren sind nur in definierten und begründeten Ausnahmefällen vertretbar.
Ausnahmen von diesen Kreditanforderungen – etwa für Zwischenfinanzierungen – sind möglich. Nach den Vorgaben im Rundschreiben setzt eine Ausnahme allerdings voraus, dass
- in den internen Kreditvergabestandards die Bedingungen für eine abweichende Behandlung klar und quantitativ definiert sind (es muss also ex ante nachvollzogen werden können, unter welchen Umständen Ausnahmen gemacht werden können),
- die Ausnahmekontingente sowohl für Einzelexposures als auch für die Gesamtheit der privaten Wohnimmobilienfinanzierungen betragsmäßig limitiert sind und
- jeder Ausnahmefall dokumentiert wird.
Die Einhaltung dieser Kreditvergabestandards wird von der FMA auf Basis der entsprechenden Meldungen überwacht und bei Management- und Aufsichtsgesprächen sowie im Rahmen der aufsichtlichen Überprüfung (SREP) adressiert. Als Ausgangspunkt für die Überwachung dient die Berechnung des Anteils jener neu vereinbarten privaten Wohnimmobilienfinanzierungen, bei denen einer oder mehrere der genannten Richtwerte für Laufzeit, Schuldendienstquote oder Beleihungsquote überschritten werden. In Fortführung der Berechnungspraxis für die Zwecke der KIM-V wird dieser Anteil auf Basis des aktuellen oder des vorangegangenen Durchrechnungszeitraums von einem Halbjahr berechnet. Liegt der auf diese Weise festgestellte Anteil über 20 %, soll von der FMA eine individuelle Beurteilung vorgenommen werden, ob die Kreditvergabe des Instituts den genannten regulatorischen Vorgaben entspricht.
Ob die Vergabe von privaten Wohnimmobilienfinanzierungen den internen Richtlinien entspricht, insbesondere die korrekte Anwendung der Ausnahmeregelungen, wird hingegen von der Internen Revision des Kreditinstituts überprüft.
Fazit
Von der Ausgestaltung der konkreten Rechtsgrundlage und deren rechtlicher Qualität abgesehen werden sich für Kreditgeber und Kreditnehmer in Bezug auf private Wohnimmobilienfinanzierungen somit auch nach Auslaufen der KIM-V keine allzu großen Änderungen ergeben.
Wir stehen Ihnen gerne für die Prüfung und Beurteilung der Kriterien für eine solide Vergabe von Wohnimmobilienkrediten im Einzelfall zur Verfügung!
Kontakt:
RA Dr. Daniel Tamerl: tamerl@chg.at
Leiter der Praxisgruppe Banking & Finance
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